Woher kommt eigentlich die Redewendung …
Sie wollen Ihre Rhetorik verbessern? Sie wollen eine spontane Rede halten zum Beispiel auf einer Geburtstagsfeier? Sie wollen einfach besser sprechen lernen? In dieser Reihe „Woher stammt eigentlich der Ausdruck“ lernen Sie die Tricks für eine gute freie Rede, wie zum Beispiel die Stegreifrede kennen. Auf diese Weise können Sie Ihre Kommunikation verbessern und in Präsentationen glänzen.
Fremdwörter und Redewendungen sind die Fallen in jeder Sprache. Verwechseln wir das eine mit dem anderen Wort, fallen wir unangenehm auf durch unsere Unwissenheit.
Sie finden in diesem Blogbeitrag Erklärungen zu einigen sprachlichen Figuren, damit Sie im Gespräch glänzen können.
1. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – spießig?
Gerne behaupten wir von anderen: „Die sind so spießig – Reihenhaus, Familie, Hund.“
Was meinen wir damit? Langeweile? Ist spießig langweilig? Und was ist langweilig an einem Haus über dem Kopf und einer Familie? Wird nicht gerade heutzutage wieder vermehrt in die Immobilie investiert? Und was wäre die Alternative? Wie ein Nomade flexibel von Ort zu Ort ziehen? Ganz schön anstrengend. Das wäre natürlich die Antwort auf die wirtschaftlichen Probleme zwischen erster und dritter Welt – denn nur die Sesshaftigkeit in den Ballungszentren führt ja zu Ausbeutung und Verarmung ganzer Völker.
Wäre also das Gegenteil eines Spießers ein Weltverbesserer? Geistige Unbeweglichkeit wird dem Spießer zugenannt, das Gegenteil ist sowohl räumliche als auch geistige Flexibilität. Ok, wir kommen der Sache näher. Personen, die eine Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung hegen, gelten als spießig. Dann gehöre ich auch dazu. Hannover ist die neunte Stadt, in der ich lebe, ich hab keine Lust mehr auf weitere Umzüge. Wem geht das ähnlich?
Städte gab es auch im Mittelalter. Das Leben war etwas rauher als heutzutage. Da kam es schon mal vor, dass die Heimatstadt gegen plötzlich einfallende Ritterheere verteidigt werden musste. Wer das Geld hatte, bezahlte Söldner. Die Reichen wohnten, wie heute, im Speckgürtel der Stadt. Das waren die Pfahlbürger, die vor den Stadtmauern bei den Friedenspfählen wohnten. Alle anderen innerhalb der Stadtmauern mussten selbst zur billigen Waffe, dem Spieß greifen.
Die Bezeichnung „Spießbürger“ war früher durchaus positiv konnotiert, da der Dienst zur Verteidigung der Heimatstadt als Ehre angesehen wurde.
Offenbar sank dann das Ansehen, vielleicht weil man zu den Spießbürgern nur die ärmsten und untauglichsten Stadtbewohner wählte, dagegen die Reicheren zu Pferde dienten. Aus einer despektierlichen Bezeichnung für das Bürgertum war ein politischer Kampfbegriff gegen eine ganze Volksklasse geworden.
Arno Holz brachte 1886 seine Verachtung gegenüber dem Spießbürgertum auf den Punkt:
„Pst! Pst! Sonst wackeln die Kronen, Ihr Herrn Professoren, seid still!…Und die fettigen Spießbürger loben die brave Polizei.“
Die fettigen Spießbürger – das sind sie wieder, die krassen Philister, deren zufriedener und bescheidener Lebensentwurf bereits den Studenten vor 200 Jahren so unattraktiv erschien.
2. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – Stegreifrede?
„Herr Meier, könnten Sie bitte mal eben ein paar Worte zur Eröffnung der Filiale sagen? Sie sind doch schon so lange dabei.„
„Was? Wann soll ich denn.?“
„Naja – jetzt sofort, weil, der Müller musste schnell nach Hause.„
„Also gut. Liebe Anwesende, wie schön, dass Sie hier sind und wir gemeinsam einen Grund zum feiern haben. Anlass ist, wie wir alle wissen, die Eröffnung unserer dritten Filiale. Noch gestern haben wir hier eingerichtet und geschuftet bis tief in die Nacht. Es hat sich gelohnt! Heute sehen Sie das Ergebnis und ich bin sehr stolz auf meine Kollegen und auf mich auch-haha. Blicken wir mit Energie in die Zukunft! Auf eine schöne Feier! Prost!“
So soll eine Stegreifrede sein, kurz und gut. Denn sie wurde ursprünglich nicht aus dem Ärmel geschüttelt, sondern in den Steigbügeln stehend vorgetragen. Und was wurde da vorgetragen? Markige Befehle, taktische Kampfanweisungen des Oberst der Kavallerie – cavallo-italienisch, caballus-lateinisch für Pferd – an seine Kampftruppen. Um Überblick zu gewinnen, musste der Heeresführer sich in die Steigbügel stellen. Mitten im Kampf schwingt man dann keine langen Reden mehr, wobei die Idee, den Gegner tot zu langweilen anstatt tot zu schiessen was hat.
Übrigens Ritter: Vor großen Schlachten versuchten viele Feudalherren die Kampfmoral ihrer Truppen zu stärken, indem sie die rangniederen Edelknechte zuhauf in den Ritterstand aufnahmen. Soviel zu Statussymbolen, die eine Wichtigkeit suggerieren sollen, aber letztendlich doch nur Durchhalteparolen gleichkommen, zum Nutzen des Auftraggebers seine Gesundheit zu geben.
Daran hat sich bis heute nicht wirklich viel verändert…
3. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – Kokolores?
Wat is Kokolores?
Kokolores is Quatsch, Unsinn, Wort-Logorrhö. Dat Wort stammt vermutlich von dem mittelniederdeutschen gokeler ab und wat dat heisst, weiss natürlich auch jeder – nämlich Gaukler.
Mittelniederdeutsch ist zwar die Ursprache des heutigen Niederländisch, aber für Menschen die im Rheinland heimisch sind, klingt das wie Musik in den Ohren. Der Kölsch Dialekt ist durchmischt mit französischen Wörtern. Beispiele sind Fisimatenten und Plüschprümm. Flüsterte ein französischer Soldat einem lecker kölschen Mädsche Visite ma tente (besuch mein Zelt) ins Ohr, dann drohte der Vater: Mach mir keine Fisimatenten!! Auch der verführerische Pfirsich, also die Pflaume (frz.: prune) mit Plüsch wird daran nichts geändert haben.
Ein Wort haben allerdings die Franzosen mit nach Hause genommen, denn diesen Gegenstand kannten die französischen Soldaten nicht: Das Oberlicht über der Wohnungstür. Und so fragten sie: „Was ist das?“ Noch heute heissen in Frankreich diese schicken, deutschen Oberlichter Vasistas.
4. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – Obolus und Scherflein?
„Wollen nicht auch Sie einen kleinen Obolus für Tiere in Not entrichten?“
„Na klar, eine kleine Spende geb ich doch gern.“
Der Obolus war eine altgriechische Silbermünze im Wert vergleichbar dem 50 Pfennigstück und gilt auch heute noch als Begriff für eine kleine Spende. Transportiert wurden diese kleinen Münzen – man höre und staune in der Antike im Mund. Bei Bedarf spuckte man sie dann aus. Es war Brauch, jedem Verstorbenen einen Obolus unter die Zunge zu legen.
Damit konnte er dann den Fährmann Charon bezahlen, der ihn über den Styx, den Fluss des Vergessens, zum Schattenreich des Hades hinüberruderte. Sehr geringwertige Münzen kannte man auch in Deutschland. Sie wurden auch, wie ihre griechischen Verwandten Obol genannt, häufiger jedoch Hälbling oder Scherf.
So gab man bereits im Mittelalter sein Scherflein dazu in Form einer kleinen Münze. Heute bedeutet es mehr im übertragenen Sinne seinen Anteil zu einer Sache beitragen wie: „Staubsaugt der Mann die Wohnung, trägt er sein Scherflein zur Hausarbeit bei.“ oder „Bei der Mülltrennung gibt jeder sein Scherflein dazu.“
Auch der Bibelübersetzer Luther gab dem Scherflein als Synonym für eine geringe Gabe den Vorzug vor römischen Münzbezeichnungen wie etwa Semis, As oder Dupondius, die hierzulande keiner kannte. Und so heisst es bei Lukas 21: „Jesus sah eine arme Witwe, die legte zwei Schwerflein in den Opferstock.“
5. Woher stammt eigentlich die Redewendung – Etwas aufs Tapet bringen?
„Was ist mit Tagungsordnungspunkt 5?“
„Das Thema wollte ich jetzt bei unserer heutigen Versammlung eigentlich nicht aufs Tapet bringen.“
Wenn man etwas aufs Tapet bringt, dann malt man nicht die Tapete an. Tapet ist das französische Wort für Teppich oder Matte. Wollte man einer kahlen Wand Glanz verleihen oder einen leeren Tisch aufhübschen, so hängte man einen Teppich, später ja auch Stofftapeten an die Wände oder legte eine – neudeutsch – Tischdecke auf.
Französisch als romanische Sprache entspringt dem guten alten Latein. Die alten Römer wussten auch schon einiges über Schöner wohnen und so hiess auch bei den Römern die kostbare Bespannung von Tischen und Wänden tapes oder tapetium.
Eine Meinung aufs Tapet bringen bedeutet also, sie mit allen zu diskutieren. Jeder kann die Meinung sehen, man spielt mit offenen Karten, man stellt sie sozusagen für alle sichtbar auf die Tischdecke. Niemand anders als der Sonnenkönig prägte diese Redewendung: mettre une affaire sur le tapis.
Ganz falsch wäre es, etwas aufs Trapez zu bringen oder aufs Tablett. Ähnlich ergeht es einem mit dem Wort pikiert, das sehr gerne verwechselt wird mit dem englischen picky. Picky ist der englische Ausdruck für wählerisch. Pikiert hingegen hat mit wählerisch sein gar nichts zu tun. Wer pikiert ist, fühlt sich in seinem Anstand verletzt. Mein dreijähriger Neffe lief zum Beispiel an Weihnachten splitternackt durchs Haus. Die Großeltern waren etwas verunsichert und wussten nicht, ob sie lachen oder weinen sollten. Kurzum, sie waren aus dem Tritt und pikiert.
6. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – pikiert?
„Junge Tomatenpflänzchen müssen pikiert werden, ansonsten geilen sie aus.“
„Hä? Wovon qutaschst du denn da herum? Was soll denn der Unsinn??“
„PFFFFFFffff.. „
„Oha, jetzt ist Eike pikiert.“
„Du meinst, ich habe ihn brüskiert?“
„Ja, er scheint verletzt, du bist ihm durch deine Verunglimpfung auf den Schlips getreten.“
„O Gott, hört auf! Ich bin schon ganz wirr im Kopf von euren Spitzfindigkeiten.“
Und genau das bedeutet Pikieren auch – stechen, ärgern, reizen. Ist jemand pikiert, ist er verletzt, verärgert, reagiert offen beleidigt oder zieht sich zurück. Ursprung ist das französische Verb piquer.
Man kann sich gegen eine Krankheit impfen lassen – se faire piquer contre une maladie
ein Tier einschläfern lassen – piquer un animal
oder sich die Haut kratzen – piquer la peau.
Wie verwende ich pikiert falsch? Zum Beispiel so: „Nimm bitte hier in meiner Wohnung den Aschenbecher.“ oder „Ach ja, du bist immer so pikiert mit deinem Parkett.“
Und wie war das mit den Tomaten? Unter Pikieren versteht man das Vereinzeln der Pflanzen. Der Platz im Aussaatgefäß wird zu eng. Kleine Pflänzchen vergeilen, wenn sie zu wenig Licht bekommen und gehen dann kaputt.
7. Woher stammt eigentlich die Redewendung – authentisch flambieren gehen?
„Nessi, die Sonne scheint. Wollen wir nachher noch über die Königsstrasse flambieren?“
„Ah! Du willst mit deiner neuen Jacke wohl die Leute imprägnieren. Dass wir da mal nicht in die Patroullie geraten!“
Gerne zu heftigen Verwirrungen führt auch die Authentizität. Erstens weiss keiner so genau, was das eigentlich ist. Authentisch sind zum Beispiel historische Artefakte, Kunstgegenstände. Sie werden entweder als echt eingestuft, zum Beispiel 3. Jhr vor Christus oder als Fälschung. Sie sind authentisch oder gefälscht. Zweitens sagen manche: Authenzität. Hier ein Absatz aus dem Zwiebelfisch von Bastian Sick – denn: besser gehts kaum.
Einmal stolperte ich über das Wort „Erfolgscouch“. Das war allerdings nicht in einem Ikea-Katalog, sondern in einem Bericht über den erfolgreichen Coach der Deutschen Nationalmannschaft.
Meine Freundin Sibylle ist im Verwechseln von Fremdwörtern eine wahre Virtuosin. Sie würde vermutlich sagen: eine Virtologin. Wo ich konzentrische Kreise sehe, sieht sie „konzentrierte Kreise“. Und wenn ich Sibylle von einem „Astralkörper“ schwärmen höre, weiß ich, dass ich an einen Alabasterkörper denken muss. Und über sich selbst sagt sie, dass sie hin und wieder etwas „implosiv“ reagiere. Schon als Kind sei sie „ziemlich resistent“ gewesen. Ich weiß nicht, wie Sibylle als Kind war, aber ich vermute, sie meint „renitent“.
8. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – Malapropismus?
„Letztens habe ich mit einem Freund privatisiert.“
„Soll was heissen?“
„Naja, er hat das Bistro wieder schließen müssen, da haben wir uns privat getroffen.“
„Aha, aber du arbeitest schon noch?“
„Ja klar, was denkst du denn?“
Malapropismus entstammt dem Französischen und bedeutet: mal à propos: direkt übersetzt: falsch zu dem Zwecke und beschreibt die falsche Verwendung von Fremdwörtern.
Privatier kann sich jeder nennen, der sein Leben ausschließlich privaten Interessen widmet ohne einen Gedanken an die monetäre Ausstattung desselben verschwenden zu müssen.
Also Geld wie Heu hat. Wer keinen Gedanken an sein monatliches Auskommen verwendet, dabei aber KEIN Geld hat, ist einfach nur ein Lebemann.
Privatisieren bedeutet also nicht, dass man sich privat trifft. Man kann auch nicht zusammen privatisieren. Fremdwörter verführen einen geradezu, sich mit ihnen zu schmücken, sich durch ihre Nutzung aufzuwerten.
Doch wo viel Glanz, da lauert auch immer die Gefahr der Lächerlichkeit. Der rasante Ferrari, der vor der grünen Ampel kläglich abgewürgt wird, die 20 cm Louboutins, die ihre ungeübte Trägerin zum latschenden Brontosaurier machen. Hier ein paar wunderschöne Beispiele für Malapropismen aus der Welt des runden Leders:
Das wird doch alles von den Medien hochsterilisiert – Bruno Labbadia
Ja, der FC Tirol hat eine Obduktion auf mich – Peter Pacult
Das ist eine Deprimierung – Andreas Möller
Der Kloppo ist schon eine Initiative in Mainz – Benjamin Auer
Der Jürgen Klinsmann und ich, wir sind ein gutes Trio. Äh, Ich meinte: ein Quartett –Fritz Walter
Da gehe ich mit Ihnen ganz chloroform – Helmut Schön
Ich habe ihn nur ganz leicht retuschiert – Olaf Thon
”Der arbeitet von morgens bis abends. So was nennt man im Volksmund, glaube ich, einen Alcoholic” – Rudi Völler
Das wundert mich nicht. Wir haben die Mannschaft ganz karibisch zusammengestellt – Klaus Hilpert
Who could have possibly envisioned an erection – an election in Iraq at this point in history? – George W. Bush, Washington, D.C., Januar 2005
9. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – elaboriert?
„Wir in Hannover bewundern seit langem Stephan Weil – der redet druckreif. Könntest du so mitschreiben. Aus der Lameng! Der hats rhetorisch einfach drauf! Total eloquent, der Mann.“
Wen wir als rhetorisch versiert wahrnehmen, der spielt mit Wörtern, der jongliert fünf Nebensätze gleichzeitg, der verliert nicht den roten Faden. Eloquenz selbst bedeutet eigentlich nur Sprachfertigkeit. Die Fähigkeit, eine Sprache sprechen und verstehen zu können. Damit ist unsere Muttersprache genauso gemeint wie dazu gelernte Fremdsprachen, Gebärden oder Schriftsprache.
Wir können selbst viel dafür tun, unsere Ausdrucksfähigkeit zu verbessern. Zum Beispiel viel lesen, viel reisen, den Horizont erweitern. Denn:
„Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nicht angeschaut haben.“ – Alexander von Humboldt
Letztendlich zählen unsere Herzensbildung und vorurteilslose Weltoffenheit mehr als jede Wortklauberei. Und nicht jeder liebt es, sich mittels Wörtern zu erklären.
Hohe Eloquenz beruht nicht unbedingt auf einer hohen Bildung, oft liegt sie in der gesamten Persönlichkeit des Erzählers begründet. Je grösser unser Wortschatz, desto elaborierter unsere Ausdrucksweise. In dem Wort elaboriert steckt das lateinische laborare, das italienische lavorare – übersetzt: Arbeit. Elaboriert: ausgearbeitet. Wortgewaltige Eloquenz ist also Arbeit ergo trainierbar.
10. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – Präambel?
Wie beginnt man eine Rede vor Publikum mit Sinn, Verstand und Individualität? Sie brauchen eine Eingangsformel, eine Präambel, auf die Sie am Ende Ihres Vortrags wieder zurück kommen können. So schliessen Sie den Kreis Ihres Wortbeitrags, erzeugen im Zuhörer ein gutes Gefühl und vermitteln Kompetenz. Was ist nun also eine Präambel und welche könnten Sie nutzen?
Eine Präambel ist eine Vorrede, eine Einleitung, ein Prolog.
In der angewandten Rhetorik verschleudern Redner die ersten 20 Sekunden, also die geballte Aufmerksamkeit des Publikums, um das Hemd, den Hosenträger oder die Bluse zurecht zu zuppeln und irgendeine schwachsinnige Entschuldigung zu lallen. Der Grund ist klar: Zuwenig Redentraining, zurecht zuwenig Selbstvertrauen. Die Vorrede gerät zur Entschuldigungsarie, der unprofessionelle Redner buhlt um Sympathie und Mitleid.
Wie sieht also eine gelungene Präambel als einleitendes Element zu einer Rede aus? So sicher nicht: „Meine Damen und Herren, wie schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind.“
Ein Zitat, ein Aphorismus, also ein geflügeltes Wort gehen immer. Zum Beispiel von Mark Twain oder Victor Hugo.
„Eine gute Rede hat einen guten Anfang und ein gutes Ende und beide sollten möglichst dicht beieinander liegen.“
Mark Twain
„Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie die Unerreichbare, für die Furchtsamen ist sie die Unbekannte, für die Tapferen ist sie die Chance.“
Victor Hugo
Auf Zitate wie diese können Sie sich am Schluss Ihrer Rede zurück beziehen und auf diese Weise elegant schliessen.
11. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – Fisimatenten?
„Plüschprümm und Fisimatenten und Was? Vasiaaist..hä? Matthias, was liest du da?“ „Fas..tas“ „Vasistas!“ „Wie..Vasistas..?“
Genau so haben 1794 die französischen Besatzer der Reichsstadt Köln auch gefragt. Als sie nämlich auf die Oberlichter über den Haustüren und Fenstern zeigten und fragten: „Was ist das?“ Dieses französische Wasistdas gefiel den Kölnern viel besser als dieses unflüssige“Oberlicht“ und so heisst Oberlicht bis heute Vasistas. Den Franzosen wiederum gefielen die lecker kölschen Mädschen.
Mit den Worten Visitez ma tente versuchten die Franzosen, die Kölnerinnen in ihre Zelte zu locken.
Offenbar erfolgreich, denn unter den kölschen Vätern sorgt bis heute der Spruch: Mach mir keine Fisimatenten! für klare Absprachen in der jugendlichen Abendgestaltung.
Vor Plüschprümm schützen sich nur Menschen mit einer Allergie gegen Steinobst. Plüschprümm sind nichts anderes als Pflaumen, Prunes mit Fell, respektive Plüsch.
Durch die Franzosen kamen nicht nur neue Wörter in die Stadt, sondern auch Hausnummern, so auch die 4711 in der Glockengasse.
1814 flohen dann die Franzosen vor den Preußen. Köln wollten alle haben. Was die Kölner wollten, wurde nicht gefragt. Die preußischen Tugenden wie Pflichtgefühl, Redlichkeit und Fleiß schaden aber sicher keinem.
12. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – Schlitzohr?
„Da brat mir doch einer einen Storch! Hat dieses Schlitzohr von Zimmermann mir tatsächlich den Balken schief gesetzt! Und ist auf und davon – das melde ich dem Zunftmeister!“
Im Mittelalter machte man mit Betrügern kurzen Prozess. Ein kräftiger Ruck am Ohrring stigmatisierte seinen ehemaligen Träger als unehrenhaften Lügner und Betrüger. Männer mit Ohrring waren Handwerker oder Seeleute. Der wertvolle Ohrschmuck sollte garantieren, die letzte Reise auf Erden als guter Christ und Ehrenmann anzutreten, der Ohrring bezahlte die würdige Beerdigung.
Ehre galt im Mittelalter als das höchste Gut. Und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Neuerliche Aufnahme in die Zunft gab es nicht. Stattdessen musste er versuchen, als Söldner, Landstreicher oder gar Verbrecher über die Runden zu kommen. Bunt übers Eck treiben ließ es mancherorts besonders gut, überall da…
….Wo in Dörfern keine Gerichtsobrigkeit wohnhaft ist. Hier geht es bunt über Eck. Zwar liegt die heilsame Poizei-Ordnung im Amte oder bei den Gerichten, aber das ist eben das Unglück, dass sie zuweilen unter vielem Staube und verlegenen Papieren da liegt und nicht im Dorfe im Schwange geht und getrieben wird…
… besagt eine Enzyklopädie aus dem Jahre 1793. Verlegene Papiere gibt es in Hannover natürlich keine, nur selbstbewusste, deswegen treiben wir hier alles ganz geradeaus.
13. Woher stammt eigentlich die Redewendung – da brat mir einer einen Storch?
Jetzt bin ich dem fast hintendrauf gefahren. Mann das war knapp! Da brat mir einer einen Storch.“ „Ey, fast Unfall! Wie kannst du da jetzt ans Essen denken?“ „Wie – essen?“ „Gebratener Storch? Hallo?“ „Ach so. Das sagt man doch nur so. Ich war nur kurz geschockt.“
Der Storch ist der germanischen Mythologie nach ein Glücksbote. Der Sage nach überbringt er die Säuglinge und lässt sie dann, so glauben zumindest die Elsässer, nur dort durch den Kamin fallen, wo der Storch elsässisch reden hört. In Thüringen gar übernimmt der Klapperstorch die Aufgaben des Osterhasen.
Durch das Schnabelklappern verständigt er sich mit anderen Störchen, zum Beispiel zur Begrüssung am Nest. „Klapper klapper!“ Übersetzt: „Schön, dass du da bist! Gekocht hab ich nix, aber schau mal, wie schön ich da lieg!“
Schützenswert gelten auch Schwäne. In England standen Schwäne neben Pfauen und Reihern auf königlichen Speiseplänen. Es wird berichtet, dass der englische König Heinrich der Dritte 1251 für sein Weihnachtsbankett 125 Schwäne benötigte. Durch das Abschiessen eines heiligen Schwans enthüllte Parsifal, der spätere Gralsritter, im Wald bewaffnet mit Pfeil und Bogen seine Eignung als reiner Tor – also von Grund auf unverbildet.“
14. Woher stammt eigentlich die Redewendung – ins Gras beissen?
Beim Sterben beissen die Engländer und Franzosen lieber in den Staub, wir Deutschen hingegen ins Gras. Jeder Deutsche kennt diese Redewendung, behauptete der Barockdichter Justus Schottel im Jahre 1663. Wer ins Gras beisst, stirbt auf dem Schlachtfeld ruhmreich – immerhin. Das Bild des sterbenden Kriegers geht aber natürlich bis weit zurück in die griechische Antike.
Da heisst es in der Ilias von Homer: „Vorwärts liegend im Staub, mit Geknirsch in die Erde gebissen.“ Und das war ungefähr 700 Jahre vor Christus. Andere antike Redewendungen sind zum Beispiel:
Kopfgeburt für eine mühsam entwickelte Idee. Der griechischen Mythologie entsprang die Athene dem Kopf des Zeus.
Chronische Schmerzen nehmen kein Ende und sind durch ihre anhaltende, fortwährende Dauer zermürbend, da kann man noch so oft auf sein Chronometer schauen.
Chronos, der griechische Gott der Zeit war hier der Namenspatron.
Das ist ja eine Sisyphosarbeit. Hört das denn nie auf und liegt irgendein Sinn in dieser Aufgabe?
Sisyphos war das gerissenste Schlitzohr der gesamten griechischen Antike: Mehrfach überlistete er den Todesgott Thanatos und trieb mancherlei anderen Schalk bis es Zeus schliesslich zu bunt wird. Auf ewig muss Sisyphos nun einen Felsblock einen Berg hinaufwälzen.
15. Woher stammt eigentlich der Ausdruck – krass?
„Ey, voll krass, die aufgedonnerte Alte da! Und der Schwachmat neben der – voll der Tatterich – voll Blamage ey!“ Klingt nach 2016, ist aber alles schon über 200 Jahre alt. Jedes Wort. Na gut. Früher hätte ein Jugendlicher etwas anders formuliert:
„Sieh dort, das stattliche Weib und daneben der krasse Philister!“
„Krass“ war ein überaus beliebter Kraftausdruck, im Sinne von grässlich.
Das Wort „krass“ entstammt aber eigentlich dem lateinischen crassus und bedeutet nichts anderes als fett. „Voll krass“ heisst also „voll fett“, das kennen wir auch. Latein ist ja die Grundlage für alle romanischen Sprachen, französisch, italienisch und spanisch. Und so erkennen wir im französischen Wort für fett gras oder grasse eben unser krass.
In New Orleans markiert der fette Dienstag, der Mardi gras, das Ende der Fresserei und am Aschermittwoch ist dann alles wieder vorbei.
Wer konnte im 17. und 18 Jahrhundert in Deutschland Latein? Na klar-die Akademiker.
Wörter wie Blamage, Schwachmatikus, paffen, krass, fidel, aufgedonnert, Tatterich, Ulk, mogeln oder pomadig verdanken wir dem Universitätsmilieu. Auch die Jugendlichen vor 200 Jahren wollten anders reden als die spießigen Stadtbürger und Kaufleute, die Philister und Ladenschwengel.